Neuseeland 2018 (20)

Heute Früh, an unserem letzten Tag in Tekapo, ich richtete mich gerade für die morgendliche Dusche, stürzte Serdar bereits mit allem Equipment zum Van raus, der Himmel brannte. Die Dusche war herrlich und den Duschraum teilte ich um diese Zeit nur mit ein paar Frauen. Offensichtlich waren die anderen Männer duschabstinent, noch am Schlafen oder am Fotografieren. Serdars gute Laune war nach dem Duschen nicht mehr halb so gross, der Andrang im Duschraum war definitiv nicht nach seinem Geschmack. Zumindest liessen seine „Schimpftiraden“ darauf schliessen.

Unser erster Weg danach war unser kleines Cafe im Ort, zum Frühstücken. Hier entschlossen wir uns zur Fahrt an den Lake Tasman. Der Lake Tasman liegt im Tasman Valley und ist ein kleiner blauer Gletschersee in der ähnlichen Farbnuance wie der Lake Tekapo und der Lake Pukaki. Er liegt ein Stück hinter dem Lake Pukaki in der Aoraki / Mount Cook Range und wir freuten uns auf die kleine Wanderung dahin. Inzwischen hatte es begonnen zu regnen und wir waren froh, am Lake Pukaki nicht aussteigen zu müssen. Wir bogen in die Tasman Valley Road ab und waren fasziniert über die düstere Stimmung. Kurz stehen geblieben und aus dem Fenster fotografiert, erwischte uns die nächste Windböe und wir mussten unsere Kamera mit Handtuch vom Wasser befreien.

Dieses Erlebnis führte dazu, dass wir keine Lust verspürten, unsere Wanderung anzutreten. Nicht einmal der Gang zum WC schien angebracht bei dem Regen. Also fuhren wir wieder zurück, Richtung Tekapo. Weit kamen wir nicht. Erst sahen wir, wie der Wind aus dem nahen Flüsschen richtig grosse Wasserfahnen herausblies. Serdar verlangsamte das Auto noch, um das auch anzuschauen. In diesem Moment erfasste uns ein Windstoss und blies uns von der Strasse. Wir kennen das aus Island, haben das selbst aber noch nicht so erlebt. Es ist unglaublich wie unser 3,5 Meter breites und über 7 m langes Fahrzeug zum Spielball des Sturmes wurde. Wir hatten viel Glück. Wir waren angegurtet, Serdar blieb über mir im Gurt hängen und konnte mich so nicht erschlagen ;-), unser Van blieb an einer aufwärts gerichteten Böschung liegen, nicht abwärts oder im Wasser und hinter uns fuhr ein Park-Ranger mit seinem Privatwagen, der und selbstlos half.

Serdar blieb abgesehen vom Schock unverletzt, ich blutete aus zwei Wunden an Nase und Stirn, da mir die Weinglasscherben um die Ohren flogen und meine linke Schulter hat was abbekommen. Sie schmerzt extrem, wenn ich sie bewege aber die Sanitäter haben mich durchgecheckt und vermuten eine starke Prellung.

Im ersten Moment, als der Motor aus war, der Wind weiter am Fahrzeug zerrte und der Regen auf den Van prasselte fingen wir beide wie irre an zu lachen. Wir zitierten unabhängig voneinander den zweiten Blogbeitrag, wo ich geschrieben hatte:

„Unser Campervan ist der Hammer. Besser kann man es nicht treffen. Er hat bis jetzt nur 2 bis 3 Vermietungen hinter sich und erst 13’500 km auf dem Tacho. Er ist also nahezu neuwertig. GPS-Navigation, Gasherd, Microwelle, Standheizung Toilette / Dusche, Flachbildfernseher (als ob wir das brauchen), Durchgang vom Fahrer-Beifahrersitz nach hinten, Standheizung, Geschirr und Besteck und einen Wasserkocher.

Serdars Fazit: „Das trifft aber jetzt definitiv nicht mehr zu, das alles war, bevor Serdar kam!“

Der Ranger hatte bereits seinen Dienst habenden Kollegen gerufen, der die Polizei und die Rettung angefunkt hatte. Unser Helfer versuchte die hintere Scheibe einzutreten, denn wir waren eingesperrt. Er schaffte es nicht von aussen, ich nicht von innen. Die Scheibe hatte sich aber getäuscht, denn nun setzten wir unsere Waffe für’s Grobe ein: Serdar legte seinen ganzen Frust in sein Bein und zertrümmerte mit einem einzigen Tritt die Scheibe. Nun waren wir wieder frei und konnten so nach und nach unsere Habseligkeiten in das Auto des Rangers retten, der uns dann zum Stützpunkt fuhr.

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Bis der Polizist aus Twizel hier war, dauerte es etwas. Es sind 60 km und wie ein Ranger bemerkte, müsse der Polizist erst herschwimmen.

In der Zwischenzeit befragten und untersuchten mich die beiden Sanitäter. Sie reinigten meine blutenden Cuts an Stirn und Nase und beklebten mich mit Pflaster. Zur Schulter meinten sie nur, das das eine starke Prellung wäre, ich den Arm am Besten in einer Halsschleife ruhig stellen solle und alle 4 Stunden eine Schmerztablette nehmen solle. Das nächste Röntgengerät ist vermutlich in Christchurch und damit 360 km entfernt.

Das ganze Prozedere der Personalienaufnahme und Befragung erfolgte in einer sehr entspannten Art, die uns gleich runterholte. Als der Polizist mit Mauri, dem Vermieter des Campervans telefonierte, war die erste Frage der Dame am Telefon: “ Wie geht es den Passagieren?“

Später erfuhren wir, dass bereits am Tag davor 3 Autos umgepustet wurden und heute wären wir die Zweiten. Ja, man kann sagen, dass wir zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Bitter für uns, wenn andere Canpervans vorbeifuhren und wir im wahrsten Sinne im Dreck lagen.

Der Polizist fuhr dann mit uns zum Unfallort. Als der Van geborgen wurde, nahm er uns bis nach Twizel mit und versuchte in 3 Motels für uns Zimmer zu bekommen. Inzwischen war sein Dienst zu Ende, er aber kümmerte sich immer noch rührend um uns. Er hatte mit dem Fahrer des Bergungsautos abgemacht, dass er von der Rangerstation im Mount Cook Nationalpark noch unser Gepäck mitnimmt, welches er dann mit Serdar noch holen ging.

Wir sind jetzt in Twizel und haben für eine Nacht ein Haus gemietet. Das Gepäck ist bis auf Kleinigkeiten alles da. Morgen früh versuchen wir ein Auto zu mieten, um nach Christchurch zu fahren. Unsere Abschleppgarage prüft noch, ob sie dann unser Mietauto mit nach Twizel zurück nehmen können. Parallel fragen wir noch unser Motel in Christchurch an, ob sie allenfalls eine zweite Nacht für uns Zimmer haben.

Viele Fragen, noch wenige Antworten. Auf unseren Schreck hin haben wir uns gerade ein Steak vom Holzkohlengrill und zwei Bier genehmigt. Damit geht das Einschlafen sicher besser.;-)

Sicher ist nur, dass wir spätestens übermorgen in Christchurch sein wollen. Arbeit mit dem Campervan haben wir auch keine mehr, den haben wir sozusagen bereits „abgegeben“. Der muss innen nicht mehr gereinigt werden, denn da wird sicher alles neu reinkommen. 🙂

Twizel, 27. März 2018

4 Kommentare

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Kirstin Schaetz
27. März 2018 um 19:51

OMG. Ihr nehmt aber auch ALLES mit. Ich freue mich, dass Ihr es einigermaßen unbeschadet überstanden habt. Schreck hier für mich in den Abendstunden. Ich denk an Euch! SPÜLT DEN Schrecken ganz gut weg !

Silke
27. März 2018 um 21:13

Oh nein! Was macht ihr für Sachen! Ich hoffe, deiner Schulter geht es bald wieder gut lieber Jürgen! Zum Glück ist nicht mehr passiert! Hoffe, ihr habt trotzdem noch eine schöne Zeit und es läuft alles glatt! LG

JueRo
28. März 2018 um 10:10
– Als Antwort auf: Silke

Hi Silke
Irgendwie wollte uns der Wind halt zeigen, dass er auch zu Neuseeland gehört. Es geht uns bestens und wir freuen uns nun auf die Heimkehr.
Die Schulter ist nur ein kleines Wewehchen, wenn wir daran denken,?was passieren hätte können.
Danke für’s Mitreisen Silke.
glg
Jürgen

Füllemann Speedy
28. März 2018 um 7:43

Lieber Jürgen, lieber Serdar! Der FB Post holte mich heute morgen schnell aus dem Bett, um deinen Blog zu lesen… 🙁 – Wichtig ist, dass ihr ok geblieben seid! – Abenteuer hinterlassen manchmal sichtbare Spuren… ( bei mir in Island und in der Kalahari) – Die Beispiele, welche wir in Island gesehen haben hättet ihr ja nicht gleich „nachmachen“ müssen…! Keep going! Indianer kennen bekanntlich keinen Schmerz… und „Humor ist doch – wenn man trotzdem lacht“… – Es warten dennoch weitere schöne Abenteur auf euch! Alles Gute und liebe Grüsse!