Island 2018 (07)

H ö f n

Vor zwei Tagen hatten wir den heftigen Sturm in Höfn mit Schnee und später dann mit Regen. Die ganze Nacht durch hat es gepfiffen und getobt. In meinem Zimmer hatte ich den Wind buchstäblich direkt neben mir. Die Aufräumerin hatte das Fenster etwas geöffnet und arretiert. Als ich das realisiert hatte, war auf meiner Fensterbank bereits eine kleine Schneewehe entstanden. Das Einschlafen ging dann etwas besser, wobei man hin und wieder bei einer starken Windböe das Gefühl hatte, mitsamt dem Haus weggetragen zu werden.

Das war eine wilde Nacht, der Sturm hörte praktisch nicht auf. Teilweise schneite es, aber gegen früh kam heftiger Regen auf. Ich glaube nicht, dass wir hier wegkommen, wenn es so weitergeht. Es wird davon abhängen, ob die Strassen offen sind.

In der Früh war der Wind kein bisschen leiser, nur hatte das Schneetreiben aufgehört und wurde von starkem Regen abgelöst. Für den kurzen Weg zum Frühstücksraum benötigte ich doppelt soviel Zeit. Der Weg war vereist und mit einer Regenschicht überzogen. Breitbeinig, im Pinguinschritt versuchte ich vorwärts zu kommen, aber der Wind blies mich einfach zurück und das Gleichgewicht zu halten war gar nicht so leicht. Die Lösung war einfach. Zwischen zwei Windstössen, wenn der Sturm Luft holt, das Eis im Schlittschuhlaufschritt überqueren und dann im Schneematsch etwas besser vorwärts zu kommen. Die Türe schien dann verriegelt zu sein bzw. der Wind verhinderte das Öffnen. Da fiel mir ein, dass Martin Zwick uns immer wieder predigt: „Beide Hände an die Türe!“ Er meint das natürlich beim Auto, aber es kann ja nicht schaden. Beiden Händen gelang es dann die Türe aufzubekommen, sodass ich hineinschlüpfen konnte. Allerdings waren dann nicht mehr beide Hände an der Türe und der Sturm schmetterte, wie wenn er zornig geworden wäre, die Türe mit einem Riesenkrach zu. So, nun war ich wirklich wach, auch ohne Kaffee und neben mir die Dame am Empfang und ein paar weitere Touristen im Vorraum.

Nach dem Frühstück informierte uns Martin Zwick über den neuesten Stand des Wetters. Der Sturm sollte gegen Mittag langsam weiterziehen und die Winde schwächer werden.

Martin wollte eigentlich bei der Retourfahrt noch eine Nacht in Skaftafell buchen, aber die hatten keine Zimmer mehr, oder waren sauer, dass wir eine Nacht storniert haben. Bin mal gespannt wie es weitergeht, es kann ja in kurzer Zeit alles anderst kommen. Die Strecke bis Vik wären ja ca. 270 km, kein Honigschlecken mit dem Wind. Obwohl der Sturm immer noch da war, wollte es Martin um 11.00 Uhr versuchen . Als wir mit Rucksack und Koffertasche zum Auto gingen, war der Sturm zwar immer noch so stark, dass wir mit dem Gepäck auf dem vereisten Parkplatz einfach zu Seite geschoben wurden. Der Weg zum Auto war ein Kampf gegen den Wind. Martin entschied sich trotzdem für’s Fahren, weil starker Schneefall angesagt war und wir sonst nicht mehr wegkommen würden.

Wie auf rohen Eiern fuhr er Richtung Skaftafell los. Nach einer knappen halben Stunde sahen wir schon von Weitem, dass ein Unfall passiert sein musste. Blinkendes Blaulicht zeigte an, dass bereits die Polizei da war. Zwei PKW’S und ein LKW mit Anhänger lagen seitlich neben der Fahrbahn im Tiefschnee. Vermutlich wurden sie von einer Windböe abgetrieben, denn die Autos hatten sonst keine Schäden. Wir hatten wieder mal Glück, dass wir durchkamen, denn die Strecke wurde anschliessend für mehrere Stunden, wegen der Bergung der verunglückten Fahrzeuge, gesperrt.

Einmal mehr hat Martin Zwick den richtigen Entscheid getroffen. Er hat sich ständig über verschiedene Apps, Infos zum Wetter und zu den Strassenverhältnissen eingeholt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Erst als wir Skaftafell erreicht hatten, wurde er etwas entspannter, da nun klar war, dass wir Vík í Mýrdal, unseren nächsten Schlafplatz erreichen würden. An dieser Stelle möchte ich Martin mal danke sagen, für das umsichtige, vorausschauende Agieren und die vorsichtige und sichere Fahrweise, auch über weite Strecken mit miserablen Strassenverhältnissen.

Die Strasse durch Vík í Mýrdal und den Pass danach ist im kleinen Video zu sehen.

S o l h e i m a j a l e i g a

Nach einer fast 300 km langen beschwerlichen Fahrt, insbesonders für Martin, immer mit dem Damoklesschwert vor Augen, dass wir auf Grund der Witterungsverhältnisse nicht mehr über den Pass zu unserem nächsten Schlafplatz kommen, erreichten wir endlich Solheimajaleiga. Auf diesem Bauernhof blieben wir für eine Nacht. Hier leben 3 Generationen mit 300 Schafen, 4 Geissen, einigen Hühnern, Island Pferden und 2 Hunden. Besonders der kleine „Begrüssungs-Hund“ hatte es uns gleich angetan, er ist ein wirklich süsser kleiner Hund. Am liebsten hätte ich ihn grad mitgenommen. Da wäre ich bei meinen Enkeln ganz gross rausgekommen. 😉

IMG_5343

Nach dem Sturm ist manchmal vor dem Sturm!

In der Zwischenzeit bis zum Abendessen hatte Martin bereits wieder die Wetterprognosen studiert. In der Nacht erwartete wir den nächsten Sturm. Ein heftiger Sturm mit Böen, die Spitzengeschwindigkeiten um die 200 kmh erreichten und viel Schnee brachte. Als wir das Haupthaus der Farm verliessen, war es bereits etwas stürmisch und die ersten Schneeflocken bestätigten die Prognose. Es stürmte die ganze Nacht über, ich musste mein Bett in die Mitte des Raumes schieben, weil mir der eiskalte Wind um die Ohren blies, mein Zimmer war offensichtlich nicht besonders gut abgedichtet. Allerdings hatten wir nicht mit soviel Schnee und Wind gerechnet. Das Fenster des Zimmers war am Morgen mit einem dicken Schneepanzer versehen und somit undurchsichtig und als wir zum Frühstück ins Haupthaus wollten, konnten wir die eine Tür zwar öffnen, Peter hatte alle Mühe, die Türe wieder zu schliessen, weil soviel Schnee reinfiel. Der nächste Versuch an der windabgekehrten Seite gelang besser. Der Sturm hatte den vielen Schnee nach seinen Plänen geschichtet und keine Rücksicht auf irgendwelche Gehwege genommen. Mit Regenkleidung, dick vermummt, bahnten wir uns den Weg durch den zum Teil sehr tiefen Schnee. Damit wir einen besseren Stand hatten, liefen wir möglichst bereitbeinig und mit dem Kopf voran im Wind.

Die Prognosen waren alles andere als gut für uns. Einen frühen Aufbruch konnten wir uns abschminken. Die Strassen waren wieder einmal dicht und die Windgeschwindigkeiten zwar „schwächer werdend“ aber nicht so, dass man ans Autofahren denken konnte, noch nicht.

IMG_5614

IMG_5615

Anhand der beiden Charts erkennt man sehr gut, wie extrem das Wetter war und dass es dann in der Mitte des Vormittags angefangen hatte zu regnen.

Überall in Island sind kleine Wetterstationen angebracht, die die Messdaten für die Strassenzustandsberichte und die Wetterprognosen liefern.

Bis 13.00 Uhr mussten wir dann unsere Zimmer räumen und wir fuhren dann los, obwohl die Strassen noch nicht alle frei gegeben waren. Unser nächstes Ziel: Laugarvatn, wo wir zwei Nächte verbringen wollten.

Die Fahrt war, schon fast Normalität, anstrengend für Martin und wir waren erstmals froh, als wir Skógar erreichten. Die einen hatten die Möglichkeit hier eine Kleinigkeit zu essen, während ein anderer den vergessenen Schlüssel wieder zum Bauernhof zurückbrachte. Ich sag an dieser Stelle aber nicht wer das war, versprochen. 😉

Die Zeit rannte uns davon, weil der Strassenzustand alles andere als optimal war. Wir sahen immer wieder Autos links und rechts im Schnee neben der Fahrbahn stecken, wir fuhren hinter einem grossen Bigfoot-Truck her, der dann in einer Schneewehe steckenblieb und mussten mehrmals umdrehen, weil teilweise einfach kein Durchkommen war. Die letzte Option ohne umzukehren wäre beinahe auch zum Desaster geworden, wenn nicht eine Schneefräse die Strasse freigemacht hätte. Auf diesen blockierten 60 – 70 m wäre nicht mal ein Pflug durchgekommen, so hoch war die Verwehung.

L a u g a r v a t n

Schlussendlich kamen wir bei Dämmerung in unserer neuen Bleibe für die nächsten zwei Nächte, im Héraðsskólinn Hostel in Laugarvatn an. Das ist eine alte Schule, die in einer Mischung aus alt und neu, top renoviert wurde.  Auch das Essen war hervorragend und im Verhältnis zu anderen isländischen Restaurants waren auch die Preise noch ein klein wenig moderater.

IMG_5378

Laugarvatn, 17. Februar 2018