Antarctica, Weddell Sea, Falkland Islands 2019 (05)

Über Nacht fuhren wir über die Bransfield Strait, wo wir am Morgen die ersten Berggipfel des antarktischen Kontinents sahen.


Glücklich sind die, die Träume haben und bereit sind, den Preis zu zahlen, damit sie wahr werden.

Léon-Joseph Suenens


Unglaublich, was sich da alles im „Kopfkino“ abspielt. Die Erwartungen sind ja nicht klein, weil man viel darüber gesehen und gelesen hat. Das „sich aus der Komfortzone bewegen“ hat sich, (wieder einmal), gelohnt. Wie wird sich uns die Antarktis zeigen? Viel hängt vom Wetter ab und auf einiges werden wir wohl wegen der „gestohlenen“ zwei Tage verzichten müssen.

Am 25.01.2019 setzten wir erstmals die Füße auf die antarktische Halbinsel, auf Rongé Island – George’s Point. Diese Insel liegt nördlich der South Shetland Islands über der Bransfield Strait, in der Gerlache Strait.

Es war schlicht und ergreifend ein Wahnsinnsmoment. Das Wetter, wie aus dem Bilderbuch. Das Meer, sehr, sehr ruhig. Die von Schnee und Eis bedeckte Küste, traumhaft.

Der Gestank, der uns bei der Anlandung empfing, bestialisch. Was wir da aber noch nicht wussten, es gibt noch andere Kolonien, bei denen der Gestank ein Vielfaches ausmacht. Wo der Boden mit Guano aus Hunderten von Jahren bedeckt ist und jedes Jahr neuer und frischer Dreck dazu kommt und der Gestank quasi Jahr für Jahr „aufgefrischt“ wird. Kein Mensch der das noch nicht erlebt hat, kann sich vorstellen, wie grausam dieser wirklich extreme Gestank für die Nase ist. Pinguine haben ja, wie alle Vögel, keinen Schließmuskel und können den Drang, sich zu entleeren, nicht kontrollieren. Sie bücken sich leicht nach vorn und spritzen dann in hohem Bogen ihren Dreck raus. Wer da zu nahe steht, wird halt mit übel riechendem Kot eingenässt. Die erwachsenen Pinguine können sich dann ja in der grossen „Waschstrasse“, dem Meer, wieder sauber machen. Die Kleinen, die noch nicht ins Meer dürfen, müssen halt damit leben. Dem entsprechend sehen sie auch aus. Aber sie legen sich ja auch in ihren eigenen Schmutz und das macht ihnen auch nichts. Das Extreme an diesen Nistplätzen ist die grosse Anzahl der Pinguine und die über Hunderte von Jahren immer und immer wieder durchnässte und verdreckte Erde.

Und diejenigen von uns Besuchern, die das nun erstmals erleben, fragen sich, was zum Teufel sie denn geritten hat, freiwillig in diese Pinguin Kloake zu kommen. Und noch dafür jede Menge Zeit, all die Strapazen und einiges mehr aufzuwenden. Aber, jeder hat diese Gedanken, bevor er die kleinen, hübschen, süssen, tollpatschigen, unglaublich schmutzigen, arbeitssamen, liebevollen, extrem fleißigen, und ausdauernden Pinguine gesehen oder besser gesagt, erlebt hat. Und darum gewöhnt man sich in gewisser Weise an diesen Gestank und es macht einem nichts mehr aus. Manchmal riecht man sie, bevor man sie zu Gesicht bekommt.

Man sagt ja, dass Pinguine nicht fliegen können. Eigentlich müsste man sagen „an Land“. Denn unter Wasser „fliegen“ sie förmlich und springen immer wieder in kurzen Bogen durch die Luft. Pinguine machen ausgedehnte Fressrunden im Meer und bringen den Fischbrei zu ihren brütenden Partnern oder ihren ständig hungrigen Küken. Sie stürzen sich todesmutig von Felsenklippen oder Eisschollen ins Meer, wohl wissend, dass da draussen auch ihre Fressfeinde, Fur Seal oder Leopard Seal, lauern und sie legen weite Strecken zurück und fressen sich eifrig den Bauch mit Krill und kleinen Fischen voll. Bei ihrer Rückkehr springen sie auf zwei bis 3 Meter hohe Felsen oder Eisschollen und schlagen dabei mit hoher Geschwindigkeit auf. Sie sind wirklich hart im Nehmen, schütteln sich und machen sich nach einer kurzen Verschnaufpause auf den Weg in ihre Kolonie.

So wie wir, denn die Kolonie liegt auf einem kleinen, schneebedeckten Bergrücken. Beim Anstieg durch den Schnee mussten wir immer wieder den Gentoos zusehen, wie sie den Berg hoch und andere wieder runter gingen. Auf richtigen „Penguin-Highways“, Trampelpfaden, die immer und immer wieder begangen werden und wo sie im Schnee nicht mehr einsinken.


http://rottmar.com/wp-content/uploads/2019/02/large-17.mov

Jeder Tourist wird ja angehalten, fünf Meter Abstand zu den Pinguinen zu halten. Davon wollen die aber nichts wissen und kommen uns teilweise sehr nahe, wie das kleine Video von einem kleinen Tollpatsch zeigt, der unmittelbar an mir vorbeikam und den ich aus nächster Nähe filmen konnte.


http://rottmar.com/wp-content/uploads/2019/02/1080p-3.mov

wie bei diesem kleinen Video gut zu sehen ist, waren die Temperaturen ziemlich moderat. Tags über um die plus 5 Grad Celsius, nachts um die minus 5 Grad Celsius. Nur bei Wind ging es dann um gefühlte minus 10 Grad tiefer. Auf der ganzen Reise hatte ich nicht ein einziges mal Handschuhe an. Damit war ich allerdings der Einzige. 😉

Während des Lunchs fuhr unser Schiff weiter zur Paradies Bay. Den Namen trägt die Bucht zu Recht. Mit der wunderschönen Aussicht auf die Berge und Gletscher und die grosse Ansammlung von Buckelwalen und Krabbenfresser-Robben, sowie die grosse Anzahl an eindrücklichen Eisbergen, kam uns die Szenerie wirklich wie ein Paradies vor. Die Zodiac Rundfahrt war ein Traum.

Hier liegt auch die argentinische Almirante Brown Forschungsstation, die heute nur noch im Sommer benutzt wird.

In der Nähe ging eine Gruppe Teilnehmer an Land, um dort im Freien zu übernachten. Die untergehende Sonne war schon spektakulär. Aber das Nachglühen des Himmels in den schönsten Farben war unglaublich eindrucksvoll. An Deck befanden sich um 23.30 Uhr nur insgesamt drei Personen und es war unglaublich ruhig und ich hätte in diesen Momenten die Welt umarmen können. Mensch war ich froh, nochmals im Pyjama in die Klamotten gesprungen zu sein, um an Deck dieses Farbenwunder miterleben zu können.

Natürlich war ich um 5.30 Uhr als erster wieder an Deck, um auch den Sonnenaufgang in dieser Traumkulisse festzuhalten. Für mich war das Übernachten im Freien keine Option. Schon gar nicht, als ich am Morgen auf dem vereisten Deck auf die Sonne gewartet hatte. Es war ein sehr friedvoller Sonnenaufgang ohne „chinesische Selfiejäger“ und erst kurz vor dem Frühstück bemühten sich ein, zwei Passagiere auf das Deck um noch mit dem Handy einen kleinen Rest der Stimmung einzufangen. Allerdings war das „Schönste“ zu dieser Zeit schon vorbei.


Noch bist du hier, noch ist es wahr, und nichts wird je wieder so sein wie hier.


.

Punta Arenas, Chile, 03.02.2019

.

Beitrag wird noch fortgesetzt.